Prozess zur Neuordnung des Rettungsdienstes für den Landkreis Wittmund (Festland) hat begonnen

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lkw Wittmund. Bisher ist der Rettungsdienst für die Festlandgemeinden im Kreisgebiet vom Träger Landkreis Wittmund über folgendes System geregelt: Es gibt neben dem eigenen Rettungsdienst (mit der Wache in Wittmund) die zwei beauftragten Firmen Rettungsdienst Ackermann GmbH (Rettungswache Friedeburg) und die Promedica Rettungsdienste GmbH (mit Wachen in Esens, Westerholt und Neuharlingersiel). Der Landkreis hat jetzt, unterstützt durch politische Beschlüsse in den Kreisgremien, erste Schritte zur Neuordnung eingeleitet. Auslöser war die zwischenzeitliche höchstrichterliche Rechtsprechung, dass unbefristete Beauftragungsverträge mit den genannten Firmen angreifbar sind, weil sie nicht den Regelungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie entsprechen (und ein Interessent hierauf ausdrücklich aufmerksam machte). Der Landkreis hat sich daher entschlossen, den beiden beauftragten Firmen nach bereits erfolgten Vorabinformationen und Gesprächen frühzeitig zum 31.12.2021 zu kündigen und die Mitarbeiter anschließend in den eigenen Rettungsdienst zu übernehmen, der künftig das Festland allein versorgen soll (KA 23.1.20).

Die Alternative zur angestrebten Rekommunalisierung des Rettungsdienstes wäre eine europaweite Ausschreibung der Dienstleistung „Rettungsdienst“, auf dessen Ausgang der Landkreis keinerlei Einfluss hätte und damit nicht auszuschließen wäre, dass ein externer Anbieter künftig den Rettungsdienst im Landkreis Wittmund wahrnehmen könnte.

 

Für den Landkreis Wittmund liegen die Vorteile des Vorgehens auf der Hand: Die Rechtsunsicherheit wird beseitigt, der Rettungsdienst auf ein einheitliches System in der Eigenregie des Landkreises umgestellt. Durch diese Kommunalisierung ergibt sich für den Landkreis als Leistungserbringer des Rettungsdienstes eine homogene Struktur für das ganze Gebiet des Festlands: Der Einsatz von Personal und Rettungsmitteln, aber auch die Standorte von Rettungswachen können zentral geplant und gesteuert werden. Bisher, im alten System, stellen die räumlichen Trennungen – Stadt Wittmund / Gemeinde Friedeburg / Samtgemeinden Esens und Holtriem – Schranken für tiefergreifende organisatorische Verbesserungen dar. Sobald das gesamte Gebiet einheitlich strukturiert ist, sind Optimierungen im Personal- und Rettungsmitteleinsatz möglich.

 

Im Kreisausschuss wurden nun dafür die Weichen gestellt. Der Landkreis will somit die zweijährige Frist bis zum Auslaufen der Beauftragungen für die Rettungsdienste Ackermann und Promedica für die Neukonzeption in eigener Regie nutzen.

 

Parallel unterstützt der Landkreis Wittmund eine Initiative des Deutschen Landkreistages (DLT) sowie des NLT zur geplanten Reform der Notfallversorgung durch den Bund. In der Kreistagssitzung im Dezember 2019 trat der Landkreis Wittmund dem vom NLT initiierten Bündnis „Rettet den Rettungsdienst“ bei. Der Bund will, so sieht es ein vorliegender Referentenentwurf vor, die Notfallambulanzen der Krankenhäuser durch Integrierte Notfallzentren (INZ) an ausgewählten Standorten ersetzen, worüber Krankenkassen und Kassenärzte bestimmen sollen. Zudem ist vorgesehen, den kommunalen Rettungsdienst faktisch der Planung der Krankenkassen und Kassenärzte zu unterstellen. Die beiden Interessenvertretungen der Landkreise kritisieren diese Pläne massiv. Man befürchtet, dass die Versorgung in Krankenhäusern in der Fläche empfindlich geschwächt, andererseits der kommunale Rettungsdienst zu einem reinen Erfüllungsgehilfen von Krankenkassen und Kassenärzten wird. Es wird davor gewarnt, funktionierende und bewährte kommunale Strukturen beim Rettungsdienst zu gefährden. Es dürfe nicht passieren, dass die jederzeitige schnelle Hilfeleistung unter der eingeführten Telefonnummer 112 durch unklare Regelungen gefährdet und dass das gute Zusammenwirken von Kommunen, Hilfsorganisationen und Kostenträgern künftig durch bundesweite Vorgaben gelenkt werden, so die Kritik.

 

Reformbedarf sehen die Landkreise bundesweit nicht in Bezug auf den kommunalen Rettungsdienst. Problemkind sei vielmehr der kassenärztliche Bereitschaftsdienst, der strukturell nicht gut aufgestellt, nicht ausreichend leistungsfähig und vielerorts nicht bekannt genug sei. So sei immer wieder zu beobachten, dass Rettungswagen für Beschwerden gerufen würden, die nicht lebensbedrohlich – und damit auch keine akuten Notfälle – seien und stattdessen in die Verantwortlichkeit des Bereitschaftsarztes gehörten. Die Lösung sei vielmehr, den funktionierenden Teil des Systems, also den Rettungsdienst und die Leitstellen der Kommunen, entsprechend aufzuwerten. Es müsse daher darüber diskutiert werden, den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst in den kommunalen Leitstellen zu disponieren. In Bezug auf die vorgeschlagenen INZ kritisieren die Landkreise über ihre Spitzenverbände auch, dass diese gemeinsam von Krankenhäusern und Kassenärzten getragen werden sollen. Die Kassenärztliche Vereinigung sei bisher nur im Ausnahmefall selbst Akteurin in der tatsächlichen medizinischen Versorgung gewesen. Daher lehnen die Landkreise als Krankenhausträger dies nachdrücklich ab. Inakzeptabel sei darüber hinaus, dass die INZ nur an bestimmten Krankenhausstandorten vorgesehen würden. Das bedeute eine Verschlechterung der Versorgungslage in den Landkreisen und vor allem in den ländlichen Räumen. Das vom Bundesgesetzgeber erklärte politische und gesellschaftliche Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse überall im Lande werde so konterkariert.